Regierung handelt bei Medienbildung fernab jeder Strategie – Vorvertrag mit Microsoft kündigen
Zu einer zwischen dem Land Sachsen-Anhalt und der Microsoft Deutschland GmbH getroffenen Vereinbarung im Rahmen der diesjährigen CeBIT erklärt Jan Wagner, netzpolitischer Sprecher der Fraktion:
Um die Medienkompetenz im Bildungsbereich zu erhöhen, haben in den letzten Jahren in Sachsen-Anhalt viele Institutionen und Personen gearbeitet. Insbesondere in der beim Kultusministerium angelehnten Arbeitsgruppe Medienkompetenz haben sich unterschiedliche Träger beteiligt, wie z.B. das LISA, der Landesbeauftragte für den Datenschutz, der VITM, Vereine der Medienbildung, die MSA mit dem Medienkompetenzzentrum, Hochschulen und Vertreter der Schulen. Eine Koordinierungsstelle für Medienkompetenz wurde 2012 geschaffen.
Trotzdem gelang es in den letzten Jahren nicht, die aktuellen Erkenntnisse der Medienkompetenzforschung oder aus der Enquete-Kommission des Bundestages zu „Internet und Digitale Gesellschaft“ in konkretere Projekte umzuwandeln. Im Bereich der Infrastruktur hat Sachsen-Anhalt mit dem Landesbildungsserver und dem Portal emuTube eigene Projekte gefördert, die Grundlagen für den Prozess der Digitalisierung sein sollten.
All diese Bemühungen stehen nun in Gefahr, gänzlich konterkariert zu werden. Der für die IT-Infrastruktur zuständige Finanzminister hat ohne Rücksprache mit dem fachlich zuständigen Kultusminister einen Vorvertrag (Letter of Intent) mit dem privaten IT-Unternehmen Microsoft vereinbart, der die technische Infrastruktur an den Schulen im Land auf eine neue und bisher offenkundig nicht mit Medienpädagogen besprochene Grundlage stellen soll – ein Affront gegen den Kultusminister aus seinem eigenen Kabinett.
Nach Auffassung der LINKEN wird digitale Technik in die Schulen und in den Unterricht Einzug erhalten müssen. Das stellt aber keinen Selbstzweck dar. Digitalisierung nur als Technik zu denken, wird dem Anspruch Technik, auch pädagogisch sinnvoll einzusetzen nicht gerecht. Infrastrukturentscheidungen ohne pädagogische Grundlagen halten wir daher für grundlegend falsch.
DIE LINKE hat bereits im Februar 2012 mit dem Antrag „Überwachungssoftware stoppen – Freie Lehrmaterialien fördern “ (Drs. 6/809) gefordert, für den Einsatz freier Lehr-Lern-Materialien zu werben und dabei die Einbeziehung von Datenschutzbeauftragtem und LISA zu beachten. Seitdem ist die Diskussion um Lehr-Lern-Materialien mit den Schlagwörtern „Open Educational Ressources“ (OER) und „Open Access“ (OA) deutschlandweit vorangekommen. Die KMK hat hier eine eigene Arbeitsgruppe.
Neben der Frage der Medienkompetenz handelt es sich bei diesem Letter of Intent um ein datenschutzrechtliches Monstrum. Alle Lehrerinnen und Lehrer sowie Schülerinnen und Schüler sollen nach dem Willen des Landes in einem zentralen und bei Microsoft geführten Verzeichnisdienst mit ihren Personendaten erfasst werden. Es handelt sich immerhin um knapp 10 % der Bevölkerung des Landes. Dass hier offenbar nicht einmal der Landesbeauftragte für den Datenschutz konsultiert wurde, zeigt, dass das Land hier im Verfahren deutlich konzeptlos und fernab jeder Strategie agiert.
Da der Vorvertrag mit Microsoft vorsieht, dass die jeweiligen Verträge zwischen Land und Microsoft bis Mai abgeschlossen werden sollen, muss der Kultusminister schnell reagieren. DIE LINKE fordert die Landesregierung auf, diese Verträge nicht abzuschließen und den Letter of Intent zu kündigen. Vor Vertragsabschlüssen mit Dritten sind alle relevanten Träger im Land zu solchen Maßnahmen zu fragen, besonders das LISA, der Datenschutzbeauftragte und der Landtagsausschuss für Bildung und Kultur.
Nach Einschätzung der LINKEN kommt dieser Affront des Finanzministers voreilig zustande und ist letztlich nur dazu geeignet, jene Personen und Institutionen im Land vor den Kopf zu stoßen, die sich seit Jahren für einen pädagogisch sinnvollen Einsatz digitaler Lehr-Lern-Materialien einsetzen.